Industriestaaten sind die Gewinner der Globalisierung

Bisher gingen die meisten Experten davon aus, dass die Gewinner der Globalisierung die Schwellenländer sind. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung korrigiert jetzt diese Sicht. Ein Vergleich der absoluten Zahlen zeigt, dass die Industriestaaten von der Globalisierung am meisten profitieren.


Globalisierung

Die Bertelsmann-Stiftung und das private Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos haben sich für die Studie die volkswirtschaftlichen Daten von 42 Ländern angesehen. Das Ziel der Studie bestand darin, zu ermitteln, welchen Anteil die Globalisierung am nationalen Wirtschaftswachstum hat. Zwar wuchs in allen untersuchten Staaten das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf, die Unterschiede zwischen Industriestaaten und Schwellenländern finden sich jedoch in den absoluten Zahlen. Beispielsweise wuchs in China das prozentuelle BIP pro Kopf in den letzten Jahren rapide, im Hinblick auf das absolute BIP pro Kopf haben jedoch Deutschland und andere Industrienationen die Nase vorn.

Deutschland - als Gewinner der Globalisierung auf dem vierten Rang

Deutschland profitiert durch seine exportorientierte Wirtschaft in sehr hohem Maße von der Globalisierung. Unter den Gewinnern der weltweiten Verflechtung belegt die Bundesrepublik nach Finnland, Dänemark und Japan den vierten Platz. Zwischen 1990 und 2011 resultierte aus den Effekten der Globalisierung pro Jahr eine Wirtschaftsleistung von 100 Milliarden Euro. Ein Fünftel des bundesdeutschen Wirtschaftswachstums in diesem Zeitraum weist die Studie als direkte Globalisierungsfolge aus. Insgesamt belaufen sich die Globalisierungsgewinne Deutschlands in den untersuchten 21 Jahren auf zwei Billionen Euro. Dieser Wert entspricht pro Kopf 1.240 Euro jährlich oder 90 Prozent der Wirtschaftsleistung des Jahres 2011.

Grad der globalen Vernetzung - von Land zu Land sehr unterschiedlich

Die Einbindung der Volkswirtschaften der einzelnen Länder in die globalisierte Welt haben die Forscher mit Hilfe eines Globalisierungs-Indexes bestimmt, der durch den Fachbereich Konjunkturforschung der ETH Zürich entwickelt wurde. Zu den am stärksten global vernetzten Ländern gehört Deutschland demnach nicht. Das Spitzenfeld besetzen einige hochentwickelte, jedoch der Tendenz nach kleinere Volkswirtschaften. Den Globalisierungs-Index führt Irland an, darauf folgen die Volkswirtschaften der Niederlande, Belgiens, Großbritanniens, Dänemarks und Schweden. Die großen europäischen Industrienationen - etwa Frankreich (13), Spanien (15) und Deutschland (17) - rangieren dagegen nur im Mittelfeld. Die USA sind im Vergleich dazu deutlich weniger in die Globalisierung eingebunden und erreichen nur Platz 29. Weit abgeschlagen zeigen sich dagegen die großen Schwellenländer China, Indien und Brasilien, deren wirtschaftliche Entwicklung bisher gern als direkte Folge der Globalisierung betrachtet wurde. Unabhängig vom globalen Vernetzungsgrad des einzelnen Landes kommt die Studie jedoch zu dem Schluss, dass alle untersuchten Länder von der Globalisierung profitierten. Im Fokus stehen hier jedoch - für die Studienautoren durchaus überraschend - die großen Industrienationen. Im Untersuchungszeitraum trug die Globalisierung zur Wirtschaftsleistung pro Kopf und Jahr in Finnland mit 1.500 Euro, in Japan mit 1.400 Euro und in der Schweiz immerhin noch mit 1.220 Euro bei. In den Schwellenländern - Russland, Brasilien, Südafrika, Mexiko, Indien und China - machte sich ein solcher Effekt dagegen kaum bemerkbar. Der jährliche Globalisierungsgewinn pro Kopf betrug in Mexiko nur 100 Euro, in China 80 Euro und in Indien 20 Euro.

Globalisierung vergrößert die Unterschiede zwischen Arm und Reich

Der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann-Stiftung, Aart de Geus, kommentierte die Studienergebnisse dahingehend, dass sich durch die Globalisierung die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter öffnet. Die Wohlstandlücken zwischen Entwicklungs- oder Schwellenländern und den Industrienationen werden in der globalisierten Welt erst über einen längeren Zeitraum gesehen kleiner werden. Den Grund dafür machen die Forscher in den erheblichen Wohlstandsunterschieden zu Beginn des Untersuchungszeitraums aus. Anfang der 1990er Jahre verfügten die hochentwickelten Industrieländer bereits über ein beachtliches Pro-Kopf-Einkommen, ihre Volkswirtschaften erhielten bereits damals durch die globale Vernetzung immensen Auftrieb. Die europäischen Industrienationen profitierten zusätzlich durch den Fall des Eisernen Vorhangs und vor allem die zunehmende wirtschaftliche und soziale Vernetzung innerhalb der EU. Deutschland präsentiert sich auch hier übrigens nicht als Spitzenreiter, sondern belegt im Hinblick auf die Einbindung in gesamteuropäische wirtschaftliche Prozesse lediglich einen 17. Platz. Relativ gesehen fallen die größten Globalisierungsgewinne allerdings den Schwellenländern zu. Gemessen am Status des Jahres 1990 konnten China, Estland, Südkorea, Slowenien sowie die Türkei und Griechenland ihre Wirtschaftsleistung am stärksten steigern. Für viele dieser Länder hängen ihre wirtschaftlichen Perspektiven allerdings heute davon ab, ob und wie sie die aktuellen Krisenfolgen meistern.


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