Ein bunter Branchen-Mix
Der Begriff Mittelstandsanleihen weckt Missverständnisse. Unter Mittelstand stellen sich viele Investoren Unternehmen vor, die mit hohem technischem Sachverstand Marktführer in ihrem jeweiligen Geschäftsfeld sind und erstklassige Bonität besitzen. Doch diese mittelständischen Unternehmen bilden eher die Ausnahme bei Anleiheemissionen. Typische Emittenten sind dagegen Start-ups, Öko-Unternehmen, Mode-Firmen, Getränkehersteller u.a. - eine bunte Branchenmischung steht hinter den meisten Mittelstandsanleihen.
Boomender Markt dank hoher Zinsen
Die Emittenten zahlen Zinsen von neun Prozent und mehr. Bei normalen Industrieanleihen sind dagegen aktuell kaum mehr als drei Prozent drin. Dennoch lohnt sich die Emission für die Unternehmen. Würden sie Kredite bei Banken aufnehmen, müssten sie noch mehr bezahlen. Und mancher Mittelständler erhielte gar keinen Kredit mehr von seiner Bank.
Der Markt für Mittelstandsanleihen boomt. Circa 150 Unternehmen aus diesem Bereich haben in den letzten Jahren Anleihen begeben. Rund sechs Milliarden Euro konnten damit eingesammelt werden. Die Laufzeit ist typischerweise mittelfristig angelegt. Länger als fünf Jahre laufen die wenigsten Mittelstandsanleihen. Das durchschnittliche Anleihevolumen ist bescheiden. Es liegt bei etwa 40 Millionen Euro. Selbst wenn eine Anleihe an der Börse notiert wird, ist die Fungibilität wegen des geringen Marktvolumens eingeschränkt. Sich vorzeitig von seinem Papier zu trennen, ist daher gar nicht so einfach.
Risiko oft unterschätzt
Wer Mittelstandsanleihen in sein Portfolio nimmt, geht ein besonderes Risiko ein. Dessen sollten sich Anleger bewusst sein. Leider wird das Bonitätsrisiko häufig unterschätzt. Markenbekanntheit und ein traditionsreicher Name garantieren noch längst nicht gute Zahlen. Viele Mittelständler, die sich am Anleihemarkt finanzieren, nutzen die Mittel nicht für Investitionen und Wachstum, sondern für die Ablösung alter Kredite. Positive Impulse gehen von solchen Finanzierungen nicht aus.
Zu ungerechtfertigt optimistischen Einschätzungen haben auch manche veröffentlichte Rating-Ergebnisse beigetragen. In einigen Fällen war das Rating noch zum Emissions-Zeitpunkt gut ausgefallen, obwohl schon wenige Jahre später die Insolvenz folgte. Ratings werden vor allem von bekannten Wirtschaftsauskunfteien wie Creditreform oder Euler Hermes vorgenommen. Die großen Rating-Agenturen halten sich in diesem Bereich zurück.
Aktuelle Insolvenz: Strenesse
Wie hoch das Risiko tatsächlich ist, zeigt folgende Zahl: 16 mittelständische Firmen - das heißt mehr als zehn Prozent der Emittenten - mit insgesamt 21 Anleihen sind schon notleidend geworden. Das jüngste Beispiel ist die Modefirma Strenesse, die aktuell Insolvenz anmelden musste. Strenesse hatte zwölf Millionen Euro mit einer Unternehmensanleihe eingesammelt und dafür neun Prozent Zinsen geboten. Firmenchef Luca hatte die Gläubiger schon im Februar um Zahlungsaufschub bitten müssen, ohne die Zahlungsprobleme lösen zu können. Jetzt müssen Anleiheinhaber um ihr Kapital fürchten.