Warum alle wollen, dass du ein Haus kaufst

von Holger Grethe. Das Eigenheim ist für viele Leute DIE Kapitalanlage schlechthin. Da können die Preise steigen, wie sie wollen. Mich erstaunt allerdings immer wieder, warum Menschen, denen jedes Investment jenseits des Sparbuchs bereits als zu riskant erscheint, dafür bereitwillig hohe Hypotheken schultern.


Haus

Schließlich müssen sich die meisten Leute ganz ordentlich verschulden, um den Traum von den eigenen vier Wänden wahr werden zu lassen.

Woher kommt dieser Sonderstatus, den das – meist kreditfinanzierte – Eigenheim in unserer Gesellschaft genießt?

Um das Phänomen zu ergründen, könnte man fragen: Cui bono? Wem nützt es?

Wer nimmt (seit Jahrzehnten) Einfluss auf die Meinungsbildung in Sachen Immobilien und profitiert davon, wenn die Investmentlösung Eigenheim in einem besonders günstigen Licht erscheint?

Ich konnte ein paar Verdächtige ausmachen…

Die Banken

…brauchen nicht nur Sparer (Kreditgeber), sondern auch Schuldner (Kreditnehmer). Denn irgendwo muss das Geld ja hin, dass Millionen von Kleinsparer auf ihre Konten einzahlen.

Von der Differenz zwischen Kredit- und Habenzinsen leben die Banken, die nicht ganz zufällig Kreditinstitute genannt werden.

Natürlich kommen auch Unternehmen als Kreditnehmer in Frage, aber Immobilienhypotheken sind ohne Zweifel eine wichtige Säule im Geschäftsmodell der Banken.

Nähme niemand mehr einen Kredit auf, gäbe es auch keine Zinsen mehr fürs Ersparte. Diesen Zusammenhang sollte man nicht ausblenden.

Es ist also sowohl im Interesse der Banken als auch der Sparer, wenn sich ein Teil der Bevölkerung fürs Eigenheim verschuldet.

Damit sich immer genug Schuldner-Kandidaten finden, macht man ihnen in Werbespots das kreditfinanzierte Eigenheim schmackhaft (“Schaffen Sie Platz für Ihre Träume!”) oder verleidet ihnen gezielt das Wohnen zur Miete (“Zeigen Sie Ihrem Vermieter den Rücken!”)

Bei vielen kommt die Botschaft an. Denn bevor man das Geld jeden Monat einem Vermieter in den Rachen wirft, kann man “lieber was Eigenes abbezahlen”, so scheint der allgemeine Konsens zu lauten.

Dass es sich im einen Fall um Raummiete, im anderen Fall um Kapitalmiete handelt, fällt bei der Betrachtung nicht ins Gewicht.

Die Arbeitgeber

Welches Interesse könnten Arbeitgeber daran haben, dass sich ihre Angestellten für ein Eigenheim verschulden?

Die Antwort ist simpel und steckt bereits im Namen: Eine Immobilie macht immobil. Geografisch wie finanziell.

Wer bis über beide Ohren verschuldet ist, wird sich zwei Mal überlegen, im Job ernsthaft aufzumucken und es sich mit dem Chef zu verscherzen.

Wer will schon die Finanzierung für den “Traum vom Eigenheim” gefährden, indem er leichtfertig seinen Job aufs Spiel setzt?

Das kommt so manchem Arbeitgeber sicher nicht ungelegen, denn dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit enorm, dass die lieben Mitarbeiter langfristig “auf Spur” bleiben und auch bereit sind, die eine oder andere Kröte zu schlucken.

Vom Job frustrierten Häuslebauern bleibt in vielen Fällen nur die innere Kündigung, denn die “äußere” Kündigung können sie sich schlicht nicht mehr leisten.

Der Staat

Auch staatliche Institutionen haben ein Herz für Immobilienbesitzer. Vor allem in Form von einfach zu erhebenden Steuern.

Mit der Grundsteuer gibt es einen bequemen Weg, um an Geld für die Staatskasse zu kommen. Und je häufiger Immobilien den Besitzer wechseln, desto mehrGrunderwerbssteuer fällt für den Fiskus an.

Eine runde Sache fürs Staatssäckerl also…

Die Bauindustrie und das Handwerk

…freuen sich, wenn der Immobilienmarkt boomt. Denn dann werden viele neue Häuser gebaut und alte Häuser werden modernisiert.

Während Vermieter traditionell ja eher zurückhaltend sind, was Investitionen in ihre Immobilien anbelangt – mancher Mieter wird ein Lied davon singen können -, blühen viele Eigenheimbesitzer bei der Umgestaltung ihres Wohn(t)raums erst so richtig auf.

Da wird an- und umgebaut was das Zeug hält, denn “es gibt immer was zu tun”, wie eine große Baumarktkette in dramatisch inszenierten Werbespots gerne betont.

Weitere Profiteure

Es gibt noch einige andere Berufsgruppen, für die sich auf dem Immobilienmarkt ordentliche Verdienstmöglichkeiten bieten:

Für Notare gehört die Abwicklung von Immobilienkäufen zum (gut bezahlten) Brot- und Buttergeschäft.

Anwälte kommen ins Spiel, wenn sich die am Kauf- oder Bauprozess beteiligen Parteien partout nicht einigen können.

Auch für MaklerGutachter und Energieberater gibt es in Sachen Betongold gutes Geld zu verdienen.

Die Eltern

Für viele Angehörige der Elterngeneration ist das Eigenheim ein zentraler Bestandteil ihres Lebensmodells. Es vermittelt Geborgenheit und Sicherheit – etwas, dass man sich auch für seinen Nachwuchs und dessen Ersparnisse wünscht.

Bleiben die Kinder aus Überzeugung Mieter, stellt dies indirekt einen Angriff auf das Lebensmodell der Eltern dar. Wie kann plötzlich falsch sein, was über Generationen immer richtig war?

Nicht wenige mittelschwere Dissonanzen in Familien dürften auf Meinungsverschiedenheiten bei der Eigenheimfrage zurückzuführen sein.

Mir ist ein Fall bekannt, wo der Vater über mehrere Wochen nicht mit seinem Sohn sprach, nur weil dieser es gewagt hatte, in eine Mietwohnung zu ziehen, statt – wie von den Eltern gewünscht – Wohneigentum zu erwerben.

Manche Häuslebauer bzw. -käufer wiederum, welche die Immobilienbegeisterung der Eltern teilen, können sich über ein vorgezogenes Erbe freuen, dass nach außen hin natürlich als “zinsloses Darlehen” bezeichnet wird.

Das Geld ist allerdings streng zweckgebunden und es wäre wohl kaum vorstellbar, dass diese Eigenkapitalspritze alternativ den Weg in ein Wertpapierdepot finden dürfte.

Die Freunde

Auch Freunde und Bekannte suchen in ihrem Umfeld nach Bestätigung für die größte finanzielle Entscheidung ihres Lebens.

Einen Kreditvertrag über mehrere Hunderttausend Euro zu unterschreiben ist sicher relativ aufregend. Zumindest stelle ich mir es in gewisser Hinsicht aufregend vor, einen großen Teil seines Arbeitseinkommens für 20 oder mehr Jahre per Vertrag an ein Kreditinstitut abzutreten.

Angesichts dieser Tragweite ist es nur verständlich, dass man sich immer wieder gerne versichert, wirklich die beste aller Entscheidungen getroffen zu haben. Je höher also die Quote der Eigenheimbesitzer im Freundes- und Bekanntenkreis ist, umso mehr hat man das wohlige Gefühl, genau das Richtige getan zu haben.

Rosarote Brille?

Bewusst oder unbewusst tragen all die genannten Interessengruppen dazu bei, den Blick vor allem auf die positiven Aspekte eines Eigenheims zu lenken.

Die gibt es ja zweifelsohne.

Ich würde nie bestreiten, dass mietfreier Wohnraum, hübsch gestaltet nach den eigenen Vorstellungen, eine feine Sache ist.

Leider braucht es dazu in den allermeisten Fällen Fremdkapital, was einige Schatten auf die ganze Angelegenheit wirft.

Wer sich in das Abenteuer Immobilie stürzt, sollte sich der Risiken einer Finanzierungunbedingt bewusst sein.

Wohin mit dem Geld?

Ein weiterer Punkt, der gerne übersehen, wenn nicht sogar aktiv ausgeblendet wird: Wohneigentum ist als Kapitalanlage nicht alternativlos.

Es macht mich immer wieder fassungslos, wenn mir intelligente Menschen meiner Generation (X) im Brustton der Überzeugung mitteilen, dass es heutzutage ja überhaupt KEINE andere Lösung gäbe, als ihre Ersparnisse in Immobilien anzulegen.

Aktien taugten nicht als Hort des Vermögens, denn diese seien schließlich “zu spekulativ”bzw. “zu unsicher”. Herrje…!

Übrigens ist es genau diese Unkenntnis von Wertpapierinvestments in Kombination mit einer geradezu naiven Immobilienverliebtheit, die mich maßgeblich dazu gebracht hat, zendepot zu gründen.

Einigen Leser-Mails entnehme ich, dass ich hin und wieder einen Beitrag dazu leisten konnte, die allzu romantische Sichtweise auf Immobilien zumindest etwas zu korrigieren.

Das freut mich wirklich.

Aber ich weiß auch: es gibt noch sehr viel zu tun.

 

Ein Artikel von Holger Grethe. Veröffentlicht in seinem Finanzblock www.zendepot.de


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