Woran es Russland vorwiegend mangele, sei eine gute und auch transparente Politik. So das Ergebnis einer Live-Abstimmung zu Beginn von Medwedjews Rede. Von den hochrangigen Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik vertraten 78 Prozent diese Meinung.
Damit war die Richtung vorgegeben. Medwedjew gelang es nicht, die Stimmung im Rahmen seiner 30-minütigen Rede noch zu drehen. Das Problem der Korruption wurde innerhalb einer Minute von dem Premierminister abgehakt.
Ungenutzt ließ er die Möglichkeit verstreichen, auf die Ziele, die Russland sich für die G-20 Präsidentschaft gesetzt hat, einzugehen. Viele der Akteure in Davos setzen, zur weiteren Belebung des Wirtschaftswachstums, auf die gemeinsame Tatkraft.
Russland, ein offenes und wahres Land
Für Medwedjew war es wichtiger klarzustellen, dass die Außenwahrnehmung Russlands eine völlig falsche sei. Im Laufe seiner Entwicklung sei aus Russland ein offenes und wahres Land geworden. Zu dem habe sich in der Zwischenzeit, zur kritischen Überwachung der Regierung, eine Zivilgesellschaft gegründet.
Frei nach dem Motto Angriff ist die beste Verteidigung, führte Medwedjew die ständige Erhöhung der Schuldengrenze der Vereinigten Staaten an, Moskau hingegen habe eine Schuldenbremse etabliert. In großen Staatsfonds würden überschüssige Gelder, die aus den hohen Energiepreisen resultieren, von der Regierung für schlechte Zeiten zurückgelegt.
In seiner Großzügigkeit bedachte der Premierminister dann auch gleich noch die Europäische Union, die nach wie vor die Verhandlung bezüglich einer Visa-Freiheit blockieren würde. Für Medwedjew absolut unverständlich, denn zusammen mit Russland würde eine Freihandelszone geschaffen, die vom Atlantik bis zum Ural reicht.
Russland habe es sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 eines der zehn wirtschaftsfreundlichsten Länder weltweit zu werden. Den Ungewissheiten innerhalb der russischen Wirtschaft im Bezug auf das Investitionsklima werde man entgegentreten.
Die Reaktionen der Teilnehmer machten es deutlich, vielen war nicht klar ob es angebrachter wäre, einfach nur den Kopf zu schütteln oder doch lieber laut aufzulachen. Für die Gewohnheits-Kritiker der russischen Regierung, wie dem Chef der Investmentgesellschaft Hermitage Capital Management, Bill Browder, war es einfach nur eine vollkommen schwache Rede. Derlei Argumente und Fakten hätte Medwedjew bestenfalls Zuhörern anbieten können, die in den letzten Jahrzehnten keine Zeitung gelesen hätten, so Browder.
Browder selbst wurde vor 8 Jahren, im Jahr 2005, ausgewiesen aus Russland. Zwei Jahre später wurde sein Unternehmen liquidiert. Sergei Magnitski, der Anwalt Borwders, fand in einem russischen Gefängnis den Tod. Für Browder hat die Rede des Premierministers nichts mit der tatsächlichen Wirklichkeit in Russland gemeinsam.
Die nicht vorhanden Probleme Russlands
Auch die weniger brisanten Themen ließ Medwedjew außer Acht: Die sinkende Popularität des Präsidenten und die deutliche Abschwächung des Wirtschaftswachstums trotz der hohen Ölpreise. Russlands Problem liegt in der Tatsache, dass sich rund 50 Prozent der Betriebe in Staatsbesitz befinden und es mangelt an der wirtschaftlichen Dynamik. Doch gerade diese Dynamik ist eines der wichtigsten Themen in Davos.
Medwedjew hat den Auftakt zu einer großen Imagekampagne für Russland auf dem falschen Fuß begonnen. Mit Davos als Sprungbrett will Russland auf einen besseren Platz auf der Weltbühne aufsteigen und neue Investoren für sich gewinnen. Eine Party im eigens dafür errichteten Russlandhaus in Davos soll die Investoren überzeugen.
Darüber hinaus wird eine Delegation von 82 Teilnehmern in verschiedenen Diskussionsforen versuchen, Russland in das richtige Licht zu rücken.
Immer wieder voller Verständnis für Medwedjew zeigen sich einige der russischen Wirtschaftslenker. Das bereits vor der Eröffnungsrede eine Abstimmung und auch eine Diskussion stattfindet, habe es noch nie gegeben, so ein russischer Ökonom. (DR/BHB)