Deflation in Europa - wird die Gefahr verkannt?

Glaubt man gewissen Ökonomen und ausländischen Investoren, dann steht Europa ein verlorenes Jahrzehnt bevor. Angeblich reagieren Verantwortliche angesichts drohender Deflation - ähnlich wie im Japan der Neunziger Jahre - nicht angemessen. Aber ist es tatsächlich Zeit, die Gelddruckmaschine anzuwerfen?


Deflation in Europa

Deflation ausbremsen: USA und Japan

Droht Europa eine gefährliche Deflation mit weiter fallenden Preisen, wirtschaftlichem Stillstand und sinkenden Dividenden durch überhöhte Aktienkurse, wie manche Volkswirte in New York und London glauben? Um eine Deflation auszubremsen, druckten Japan und die USA Geld, um ihre Währungen zu schwächen, der Chef der amerikanischen Notenbank Fed, Ben Bernanke, kaufte im Herbst 2010 massiv Wertpapiere (Quantitative Easing). In den USA scheint die Gefahr spätestens seit dem 1,5 prozentigen Preisanstieg vom Dezember gebannt. Doch während sich die Bilanzen der Fed um 41, die der Bank von Japan um 55 Prozent aufblähten, ging die Bilanzsumme der EZB durch Rückführung von Notfallmaßnahmen um 28 Prozent zurück.

Sinkende Preise = Konsumverzicht?

Kritiker werfen der EZB Ambivalenz vor, gelenkt durch den Geist der Deutschen Bundesbank. Zögen die Preise an, reagiere man mit Zinsanhebungen, aber vernachlässige eine potenzielle Abwärtsspirale flächendeckend sinkender Verbraucherpreise. Bei einer Deflation nehmen sich Konsumenten beim Kauf und Unternehmen mit Investitionen zurück, da sie mit einer Trendfortsetzung rechnen. Soweit ein Modell, das nicht durchgängig stimmt. Denn nicht immer üben sich Verbraucher in Erwartung weiterer Preissenkungen in Konsumverzicht - wie im Computersegment. Auch Ökonom Holger Schmieding, Berenberg Bank London, hält die Angst vor dem Nullwachstum einer Deflation für übertrieben. Die Erholung der Eurozone, zu beobachten am Anstieg der Industrieproduktion auf das Niveau von 2010, scheint ihm Recht zu geben. Und Umfragen zeigen: Unternehmen und Verbraucher sind derzeit so positiv gestimmt wie zuletzt 2011.

Robuster Euro stärkt im Wettbewerb

Wer hat Recht? Trotz anziehender Konjunktur liegt die Inflationsrate bei nur 0,8 Prozent - und unterschreitet so das Geldwert-Stabilitätsziel der EZB von knapp zwei Prozent deutlich. Allein die Großhandelspreise fielen im Dezember um 1,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Peripheriestaaten wie Spanien erlebten im vierten Quartal 2013 um 8,7 Prozent fallende Immobilienpreise - verglichen mit dem Höchststand von 2007 ein Minus von 46 Prozent.

Sind sinkende Preise also ein gutes oder schlechtes Zeichen? EZB-Präsident Mario Draghi sieht keine Abwärtsspirale, ebenso wenig wie Thorsten Polleit, Chefvolkswirt bei Degussa Goldhandel. Sinkende Preise senkten nicht nur die Lebenshaltungskosten, sondern ließen auch Unternehmen von geringeren Kosten profitieren, was eine Volkswirtschaft im Wettbewerb stärke. Doch Polleit ist nicht überrascht, dass Staat, Banken und Großindustrie diese geldwertstärkende Bereinigung der Deflation nicht gern sähen - Ihnen brächte eine Inflation schließlich Vorteile.

In den letzten Monaten erfuhr der robuste Euro eine Aufwertung zum Yen von 33, zum Pfund um sechs und zum Dollar um zehn Prozent. Importe verbilligen sich und die Preisrückgänge bei Rohstoffen wie Erzen, Energieträgern und landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Weizen 27 Prozent, Kaffee 23 Prozent) lassen Verbraucherpreise fallen. Auch die Notierungen der Ölsorte Brent, früher gern von Konzernen zur Rechtfertigung von Preiserhöhungen angeführt, gingen 2013 um sieben Prozent zurück.

Deflation wahrscheinlich? EZB gibt sich gelassen

Gerade warnte die Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, vor dem National Press Club in New York: Eine Deflation gefährde die bestehende positive Perspektive für die Weltwirtschaft. Berechtigt? Im November senkte die EZB den Leitzins angesichts rapiden Inflationsrückgangs auf das Rekordtief von 0,25 Prozent. Sollte es die EZB den Japanern nachtun, um die Inflationsrate auf die Zielmarke von zwei Prozent ansteigen zu lassen? Nein, so Draghi. Europa und Japan seien nicht vergleichbar - der Preisdruck in den Peripheriestaaten sei erwünscht, denn er mache diese wieder wettbewerbsfähig. Zugegeben, eine Deflation ist gefährlich. Aber nur, wenn Unternehmen geringe Absatzpreise erzielen, aber gleichbleibend hohe Löhne zahlen - eine Gewinnkompression, die das Überleben von Konzernen gefährden kann. Doch relativ entspannt, verwendet die EZB offiziell lieber den Begriff Disinflation. Bundesbankpräsident Jens Weidmann dazu: Die Deflationsgefahr für die gesamte Eurozone sei aufgrund der konjunkturellen Lage "begrenzt" - ein "Gespenst, das sich "bei nüchterner Betrachtung in Luft" auflösen wird.

 

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