Gesetz über Honorarberatung ist Aktionismus

Von VOLKER LOOMAN, BREMEN. Die Qualität in der Finanzberatung lässt sich nur mit Hilfe solider Ausbildung steigern. Die Frage der Entlohnung ist von nachrangiger Bedeutung. Die Finanzberatung in Banken, Bausparkassen und Versicherungen bleibt ein heißes Eisen. Gesetzgeber, Finanzaufsicht und Gerichte haben in den vergangenen Jahren viele Anläufe unternommen, um die Qualität der Beratung zu verbessern.


Die Vermögensfrage: Gesetz über Honorarberatung ist Aktionismus

Leider ist der Nutzen gering, weil nur Auswüchse bekämpft worden sind. Das grundlegende Übel, dass es in Deutschland keine geregelte Ausbildung für Finanzberater gibt, besteht weiterhin. Daran wird auch das Honorar-Anlage-Beratungs-Gesetz, das der Bundestag in der vergangenen Woche verabschiedet hat, nichts ändern.

In dem Gesetz gibt es die rechtliche Möglichkeit, dass in Zukunft zwei Formen der Finanzberatung möglich sind. Das ist auf der einen Seite die Finanzberatung auf Provisionsbasis, und das ist auf der anderen Seite die Finanzberatung auf Honorarbasis. Folglich hat sich der Gesetzgeber mit der Frage beschäftigt, wie Finanzberater in Zukunft bezahlt werden können. Das eigentliche Problem, dass die Qualität der Finanzberatung in vielen Fällen mangelhaft ist, weil die Berater keine Ausbildung haben, bleibt weiterhin ungelöst. Um dieses Problem schleicht der Gesetzgeber seit Jahrzehnten herum wie die Katze um den heißen Brei.

Die Finanzberatung auf Honorarbasis wird sich in Deutschland nach Ansicht von Fachleuten trotz gesetzlicher Verankerung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht durchsetzen. Das liegt in erster Linie am Geiz vieler Privatleute. Freiberufler von „A“ wie Anwalt bis „Z“ wie Zahnarzt klagen schon seit Jahrzehnten darüber, dass sich viele Bürger mit Händen und Füßen dagegen sträuben, für Beratung und Umsetzung angemessene Honorare zu bezahlen. Die Liste der Belege ist lang. Der Anwalt wird in Anspruch genommen, weil die Rechtsschutzversicherung zahlt. Der Heilpraktiker wird aber geschnitten, weil die Krankenkasse die Kosten nicht übernimmt. Der Notar ist Gesetz. Und der Steuerberater wird entlohnt, weil die Menschen in der Regel keine Lust haben, sich zwei oder drei Wochenenden mit dem Ausfüllen von Steuerformularen herumzuschlagen.

Die neutrale Beratung ist nur auf Honorarbasis möglich

Geld mag für viele Menschen eine besondere Ware sein, doch angesichts der „notorischen“ Unlust, für finanzielle Aufklärung angemessene Preise zu bezahlen, ist es ein Unding, von Banken, Bausparkassen, Investmentgesellschaften und Versicherern, genauso aber auch von Geldwechslern und Vermittlern, besonderes Wohlverhalten zu verlangen. Die Unternehmen sind keine Samariter, sondern Firmen, die auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind. Das ist im Handel oder in der Industrie nicht anders. Wer zu Aldi geht, darf nicht erwarten, zu Edeka geschickt zu werden, weil die Salami dort zur Zeit 50 Cent billiger ist. Wer bei Mercedes vorbeischaut, erhält garantiert keinen Hinweis, dass die Autos von Audi oder BMW unter Umständen besser sind. Warum sollte das im Geldgewerbe anders sein?

In Deutschland gibt es seit Jahr und Tag drei Beratungsformen, wenn es um Geld geht. Die größte Bedeutung hat die traditionelle Anlage-, Finanz- und Vermögensberatung. Hier treffen sich zwei Parteien zu „kostenlosen“ und „unverbindlichen“ Gesprächen. Damit ist diese Beratung in Wirklichkeit aber gar keine Beratung, sondern ein Verkaufsgespräch, in dem es um den Abschluss eines Geschäftes geht.

Die neutrale Beratung, die sich so viele Anleger wünschen, ist nur auf Honorarbasis möglich. Anwälte, Rentenexperten und Steuerberater schließen mit ihren Mandanten individuelle Dienstleistungs- oder Werkverträge ab. Grundlage dieser Vereinbarungen sind die Paragraphen 611 und 631 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Darin verpflichten sich die Berater, bestimmte Leistungen oder Werke zu erbringen. Gleichzeitig versprechen sie ihren Mandanten, ausschließlich deren Interessen zu vertreten.

Hinter dem Rücken des Mandanten

Um hier gar keine Begierden zu wecken, hat der Gesetzgeber schon vor vielen Jahrzehnten den Paragraph 667 in das BGB eingefügt. Darin heißt es: „Der Beauftragte hat alles, was er zur Ausführung des Auftrages erhält, und was er aus der Geschäftsbesorgung erhält, herauszugeben.“ Wenn ein Investor einen „echten“ Berater beauftragt, ihn bei der Prüfung von drei Geldanlagen zu unterstützen, kann der Fachmann ruhig 3000 Euro nebst gesetzlicher Mehrwertsteuer verlangen. Sofern bei der Geschäftsbesorgung oder Vermittlung aber Provisionen von 10.000 Euro anfallen, steht dieses Geld ausschließlich dem Auftraggeber zu.

Anwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer verstoßen gegen mindestens drei Gesetze, wenn sie die Provisionen behalten: einmal gegen Paragraph 667 des Bürgerlichen Gesetzbuches (Herausgabepflicht), dann gegen Paragraph 266 des Strafgesetzbuches (Untreue)und schließlich gegen Paragraph 370 der Abgabenordnung (Steuerhinterziehung). Die Anwälte und Steuerberater kommen außerdem mit ihren jeweiligen Standesgesetzen und Richtlinien in Konflikt, so dass es kein Wunder ist, dass in den vergangenen Jahren viele „Ehrenberufler“ nicht nur ihre Gesicht, sondern auch ihre Zulassung als Anwalt oder Steuerberater verloren haben.

Die dritte Beratungsform ist eine Mischung aus Beratung und Vermittlung. Es gibt freie „Berater“, die für ihre Tätigkeit „angemessene“ Honorare verlangen, danach aber Finanzgeschäfte gegen Provision vermitteln. Teilweise verrechnen sie Honorare und Provisionen miteinander. Meistens lassen sie die Provisionen aber direkt oder indirekt über ein Unternehmen der Ehefrau oder Freundin in die eigene Tasche laufen. Genauso ist es denkbar, dass die Immobilienfirmen oder die Versicherer dem Berater für den diskreten Wink zur rechten Zeit jedes Jahr einen neuen Oberklassewagen mit dem guten Stern vor die Türe stellen oder ihn zum Segeltörn im Mittelmeer einladen. Die Handreichung mag die Beziehung zwischen Finanzdienstleister und Berater stärken, doch für das Verhältnis zwischen Berater und Mandant sind die Zahlungen Gift. Hier wird vordergründig „neutral“ beraten, aber mit Provisionsgeschäften und Vergünstigungen hinter dem Rücken des Mandanten zusätzlich Geld verdient.

Die Qualität der Finanzberatung ist keine Frage der Entlohnung

Jeder Anleger muss sich selbst entscheiden, mit welchem Berater er zusammenarbeitet. Da leistet ihm auch das neue Honorar-Anlage-Beratungs-Gesetz keine Hilfe. Erstens deckt das Gesetz nur die Beratung über Geldanlagen ab. Und zweitens ist das Gesetz kein Siegel über die Qualität der Beratung. Folglich werden viele Privatleute beim richtigen Umgang mit Geld weiterhin im Regen stehen, weil sie kaum Berater finden, die ganzheitliche Finanzberatung anbieten, die Anlagen, Kredite und Versicherungen umfasst, oder weil sie letzten Endes nicht bereit sind, für die Beratung offene Honorare zu bezahlen. Die Probleme werden an Beispielen aus der Praxis deutlich.

Ein junges Ehepaar mit zwei kleinen Kindern ist auf der Suche nach passenden Versicherungen. Außerdem will es ein bisschen Geld für ein Eigenheim ansparen. Das sieht auf den ersten Blick harmlos aus: Doch die Suche nach dem richtigen Berater ist schwierig. Soll die Familie die Hausbank ansprechen? Soll es die Bausparkasse aufsuchen? Soll es die Versicherung fragen? Soll es zu einer Vertriebsgruppe wie DVAG, MLP oder OVB gehen? Soll es an einen Honorarberater konsultieren? Soll es sich an einen Versicherungsberater wenden?

Die Fragen zeigen in aller Deutlichkeit, dass die Qualität der Finanzberatung keine Frage der Entlohnung ist. Hausbank, Bausparkasse, Versicherung und Vertriebsgruppe bekommen für ihre Arbeit eine Provision. Und der Honorarberater und der Versicherungsberater erhalten für ihre Tätigkeit ein Honorar. Damit ist der jungen Familie freilich nicht gedient. Sie braucht einen Experten oder eine Fachfrau, die zwei Dinge erledigen: Aufklärung über passende Risikovorsorge und Sparverträge und Hilfestellung bei der Beschaffung geeigneter Verträge.

Auf die Ausbildung der Finanzberater kommt es an

Folglich geht es in erster Linie um Kompetenz und nicht um die Art der Entlohnung. Im vorliegenden Fall kommt es in erster Linie darauf an, dass Vorsorge gegen Haftpflicht, Krankheit, Berufsunfähigkeit und Tod von Vorteil ist und Banksparpläne und Bausparpläne die passenden Sparformen sind. Auf dem Papier scheinen der Versicherungsberater und der Honorarberater die „idealen“ Ansprechpartner zu sein, weil sie auf Honorarbasis arbeiten. Das ist freilich noch lange keine Gewähr, dass die Familie den Rat bekommt, den sie sucht. Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob die Privatleute bereit sind, für die Beratung ein Honorar von 2000 Euro zu bezahlen. Hier klaffen Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinander, dass es im Augenblick einfach keine Lösung gibt.

Auf lange Sicht sollte sich der Staat weniger mit der Frage der Entlohnung, sondern mit der Ausbildung der Finanzberater beschäftigen. Jeder Anwalt braucht, um seine Arbeit ausüben zu dürfen, ein Staatsexamen und eine Bestellung. Das ist beim Arzt nicht anders. Die Voraussetzungen für die Berufsausübung sind Staatsexamen und Approbation. Und auch Steuerberater können, um ein drittes Beispiel ins Feld zu führen, ihrer Arbeit nur nachgehen, wenn sie die entsprechende Ausbildung und Lizenz vorweisen können. Daran hapert es in der Finanzberatung. Wer in Deutschland den Anschein erweckt, mindestens 18 Jahre alt zu sein, aufrecht zu gehen und drittens den Umgang mit Messer und Gabel zu beherrschen, geht zur Gewerbeaufsicht und lässt sich in ein Register eintragen, das Beamte missmutig und schlecht verwalten. Wem hilft dieser Aktionismus?

Das neue Gesetz gaukelt ein Berufsbild vor

Wohin wenden sich Privatleute, die ein Haus bauen oder kaufen wollen? An die Bank? An die Bausparkasse? An die Versicherung? Sinnvoll wäre es aus Sicht des Verbrauchers, wenn es, wie bei Ärzten und Anwälten üblich, einen Berufsstand der Finanzberatung mit der Möglichkeit der Spezialisierung geben würde. Die Vermögensberater sollten in einem Grundstudium, das an Fachhochschulen oder Universitäten angeboten wird, allgemeines Fachwissen über den Umgang mit Geld erwerben. Sie sollten ihre Kenntnisse in einem Spezialgebiet vertiefen, um zu gegebener Zeit ihren staatlichen Titel mit dem Hinweis unterlegen zu können, ausgewiesene Fachberater für Geldanlagen, Finanzierungen oder Risikovorsorge zu sein. Der Fachberater für Eigenheimfinanzierung würde, weil er das notwendige Fachwissen besitzt, über die verschiedenen Wege informieren, wie das Vorhaben finanziert werden kann. Und er könnte bei der Beschaffung der Geldmittel behilflich sein.

Fachberater für Geldanlagen wären zum Beispiel für Menschen die erste Adresse, wenn es um die Frage geht, wie eine Erbschaft von 200.000 Euro investiert werden kann. Soll ein Teil des Geldes zur Tilgung von Schulden verwendet werden? Oder soll in bestimmte Anleihen investiert werden? Sind die Aufnahme eines Kredites und der Kauf einer Immobilie sinnvoll? Was ist von Investmentfonds zu halten? Und wie sieht es mit Beteiligungen aus? Der „neue“ Honorar-Anlageberater soll auf diese Fragen passende Antworten geben, doch es ist zweifelhaft, ob das Kalkül des Gesetzgebers aufgehen wird.

Erstens wollen die meisten Anleger für die Beratung kaum Geld bezahlen, zweitens ist mit der Honorarberatung keine fachliche Qualifikation erkennbar, und drittens müssen Honorarberater in vielen Fällen an der Oberfläche bleiben. Sie dürfen keine Empfehlungen über den Kauf oder Verkauf einzelner Anleihen oder Aktien geben. Dafür ist eine Lizenz nach Paragraph 32 des Kreditwesengesetzes nötig. Sie ist mit hohen Auflagen verbunden, die in Deutschland nur wenige Honorarberater erfüllen können, so dass das neue Gesetz ein Berufsbild vorgaukelt, das es in der Wirklichkeit kaum geben wird. 

Dieser Artikel wurde verfasst von Volker Looman und unter faz.net veröffentlicht. Die Freigabe durch den Author wurde erteilt.


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