Privatpatienten: Profiteure oder Opfer des PKV-Systems?

PKV-Versicherte sind Patienten erster Klasse - diese Meinung scheint deutschlandweit Konsens zu sein. Zeit, genauer hinzuschauen. Sind Privatversicherte weniger Profiteure als vielmehr Opfer einer Zweiklassenmedizin, die sich an den Versicherten schadlos hält?


Privatpatienten

PKV: Chancen und Risiken abwägen

"Nein, tut mir leid, diese und nächste Woche sieht es ganz schlecht aus," bedauert die Sprechstundenhilfe am Telefon. Aber in sechs Wochen hätte man etwas. Jetzt wirft der Patient seine Mitgliedschaft als Privatversicherter in den Ring - plötzlich ist ein Termin noch am gleichen Tag kein Problem mehr. Ein guter Grund, von der GKV zur PKV zu wechseln, oder? Wer sich dafür entscheidet, sollte Chancen und Risiken genau abwägen: Als Familienversicherung teuer, belastet eine PKV Versicherte im Alter zudem mit steigenden Beiträgen - Rückkehr zur gesetzlichen Krankenversicherung fast unmöglich. Auf den ersten Blick scheinen die Chancen zu überwiegen: Erlaubt die Gehaltshöhe die Alternative Privatversicherung, klingen entsprechende Startangebote zunächst verlockend. Denn sie liegen deutlich unter dem Betrag, der als hälftiger Arbeitnehmeranteil bei einer gesetzlichen Kasse zu leisten ist - Einzelzimmer, Chefarztbehandlung und attraktive Leistungserstattungen inklusive.

Unerwartet unverhältnismäßig: Beitragserhöhungen

Mehr verdienen, aber geringere Krankenkassenbeiträge zahlen? Angenommen, das Gehalt steigt mit der Inflation um etwa zwei Prozent pro Jahr bei doppelt so starker Beitragserhöhung, dauert es Jahrzehnte, bis PKV-Beiträge die gesetzliche Beitragshöhe erreichen. Preiserhöhungen um das Doppelte für einen derart langen Zeitraum? Ziemlich unrealistisch. Und Beitragssteigerungen im Alter scheinen durch die Gesetzesnovelle zum 1. Januar 2000 abgefedert: Neuversicherte zahlen einen zehnprozentigen Beitragsaufschlag, der dann angespart und im Alter zur Beitragssenkung eingesetzt wird.

Ein überschaubares Risiko? Leider nicht: Anders als im oben entworfenen Szenario gehört es bei einer Reihe privater Krankenkassen zum guten Ton, Beiträge innerhalb weniger Jahre stufenweise um im Schnitt mehr als zehn Prozent anzuheben. Während Versicherer offiziell von drei Prozent jährlicher Steigerung sprechen, bezifferte das Bundesfinanzministerium diese zwischen 2000 und 2010 mit 5,1 Prozent. Das Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) kam für 2010 sogar auf Werte zwischen 6,1 bis 8,9 Prozent - bei Neukunden.

Alt und krank im Greisentarif geparkt

Wer sich darauf verlässt, dass private Krankenversicherungen dem freien Spiel marktwirtschaftlicher Kräfte unterliegen, irrt: Wer bei vor 2009 geschlossenem Vertrag zu einer PKV mit besseren Konditionen wechseln will, verliert seine Altersrückstellungen. Und ist oft gezwungen, in einem - wie die Versicherer es nennen - vergreisten, weil aufgrund überalterter Mitgliederstruktur geschlossenen Tarif immer höhere Beiträge zu zahlen. Dabei enthalten speziell für junge Versicherte geschaffene Tarife ein sehr ähnliches Leistungspaket, aber zu einem Bruchteil des Beitrags.

Kommen auch diese in die Jahre, wird man auch deren Tarif im Ordner vergreister Kostenverursacher abheften, sprich dichtmachen. Hinzukommt, dass viele Privatpatienten die gängige Praxis mancher Ärzte, gerade diesen überteuerte Leistungen in Rechnung zu stellen, aus dem eigenen Portemonnaie begleichen müssen - je nachdem, wie hoch deren Selbstbeteiligung ausfällt. Angestellte und Selbstständige tragen jährlich mehrere hundert Euro selbst und reichen Rechnungen oft nicht ein, weil Ihnen Ihre PKV im Jahr darauf bis zu drei Monatsbeiträge zurückerstattet. Ansonsten bleibt kaum Spielraum für Einsparungen, wo Ärzte, durch die Budgetierung der gesetzlichen Kassen in ihren Einnahmen ausgebremst, Privatpatienten als Einnahmequelle erschlossen haben. Der Privatpatient hat das Nachsehen - wer kann schon selbst beurteilen, ob eine Behandlung unverzichtbar oder ihr Preis berechtigt ist?

Privatpatienten in der PKV-Falle

Eine Strategie, die zu Lasten des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient geht, der vor jeder Behandlung mit Recht misstrauisch nach den Detailkosten fragt. Wo Privatpatienten angesichts explodierender PKV-Beiträge nach Alternativen suchen, verzögern Versicherer den Wechsel, wollen Verbraucherschützer wissen. Krankheit kann sich keiner mehr leisten. Zurück in die gesetzliche Krankenversicherung? Leider ist auch dieser letzte Ausweg versperrt. Fünf vor Zwölf für ein absurdes System, das Patienten zu Opfern macht - und dessen Reform mehr als überfällig scheint. 


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