Das Berliner Startup-Unternehmen EyeEM erlebte zum Jahreswechsel einen wahren Run auf seine Photo-App. Die Verkaufszahlen sprangen von jetzt auf gleich ums Zehnfache. Noch vor einiger Zeit hätte das große Probleme verursacht, weil der Speicherplatz auf den schnellen Servern eines Rechenzentrums zum einen teuer war und bereits Wochen vorher die Rahmenbedingungen wie Speicherlast, Rechenkapazitäten und Datenverkehr festgelegt werden mussten.
EyeEMs Rettung war der Versandhändler Amazon, von dem viele nicht wissen, dass er nebenher einen Hosting-Dienst namens Web Services betreibt. Tatsächlich entsteht damit ein Umsatz, der den Versandhandel in den kommenden Jahren hinter sich lassen könnte. Das hat auch Auswirkungen auf die ganze Webhoster-Branche: Neben EyeEM speichern auch Soundcloud, 6Wunderkinder, Barcoo und Wooga ihre Daten auf den Servern des Dienstleisters mit Sitz in Seattle, wodurch Amazon zu einem der wichtigsten Triebfedern im Bereich der Start-up-Ökonomie wurde.
Per Klick Speicherkapazität buchen
Noch 2006 waren die Start-ups in der schwierigen Situation, dass sie Server leasen mussten, die im schlimmsten Fall danach über Monate nicht genutzt wurden. Auf der anderen Seite hätte eine rasant ansteigende Lastentwicklung entweder den Ruin des Unternehmens verursacht oder der Rechencrash wäre unausweichlich geworden. Amazons Weboberfläche lädt heute dazu ein, per Klick die gewünschten Kapazitäten hinzuzubuchen oder abzuwählen. Außerdem kaufen die Kunden Rechenleistung auf Servern ein, die speziell gewünschte Regionen bedienen. Beispielsweise, weil Kunden in anderen Ländern plötzlich Gefallen am eigenen Angebot finden.
Schon vor einem Jahr befragte die „Welt am Sonntag“ den Amazon-Chef Jeff Bezos, warum das Onlineversandhaus nun auch Serverdienste anböte. Dabei stellte sich heraus, dass im Hause Amazon eine Idee das Tageslicht erblickte, nach der es einfacher werden würde, eine Server-Infrastruktur anzubieten. Außerdem würde diese neuartige Lösung mit einer höheren Flexibilität für den Kunden einhergehen, weshalb man sich einfach dazu entschied, den Service anzubieten.
Die Befreiung der Star-ups als Motivation
Jetzt meldet sich der Technik-Vorstand Amazons zu Wort: Laut dem Niederländer Werner Vogels rührte diese Überzeugung daher, die Start-up-Branche von der Geißel traditioneller IT-Unternehmen zu befreien. Deshalb boten sie schon bald den neu-konzipierten und einfacheren Service an, bei dem die Server weltweit im Internet per Mausklick abonnierbar sind. Außerdem sind die Preise nicht starr festgelegt. Kunden haben sogar die Möglichkeit, innerhalb von Last-Minute-Auktionen Speicher auf dem internen Spotmarkt zu erwerben. Deshalb sei es ihnen nun gegeben, sich voll und ganz darauf zu konzentrieren, ihr Produkt zu entwickeln. Technische Details sollen keine große Rolle mehr spielen. Neben den Kleinunternehmern haben sich auch längst etablierte Firmen – wie auch Regierungen – von Amazons Konzept überzeugen lassen.
Die Risiken einer solchen Zentralisierung liegen indes auch auf der Hand: Im März 2012 legte ein Stromausfall ein großes Rechenzentrum Amazons in Virginia lahm. Mehrere namhafte Foto- und Videodienste waren deshalb über Stunden nicht erreichbar. Insgesamt kam es fünf Mal in den letzten 18 Monaten zu Ausfällen. (LB/BHB)