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Die industrielle Fertigung unserer Nahrung

Fleisch, Gemüse und Obst gedeihen schon längst nicht mehr in einer Bauernhof-Idylle. Sie können als vollendete Industrieprodukte gelten, bei denen das Licht der Sonne durch die künstliche Beleuchtung der Zuchtfabriken ausgetauscht wurde.


Die industrielle Fertigung unserer Nahrung

Unabhängig von der Jahreszeit, zu der Sie den Supermarkt betreten, Lebensmittel beliebiger Herkunft gibt es immer. Kein Wunder, weil Gewächshäuser die natürlichen Erntezeiten außer Kraft gesetzt haben. Was uns bislang nur bei der Tierhaltung samt angeschlossener Fleischproduktion vor Augen geführt wird, ist bei der Zucht von Pflanzen auch längst zum Standard geworden: Alles wächst in künstlichen Welten heran. Ein Großteil der Gurken und Salatköpfe, die auf unseren Tischen landen – ebenso wie Hühnerfleisch – gedeiht weitestgehend automatisiert in großen Hallen. Höchstens Biolebensmittel erfreuen sich noch dem Kontakt zu natürlicher Erde.

Mit Ausnahme der im eigenen Garten zuhause angebauten Pflanzen, gibt es wahrscheinlich kaum eine Tomate aus Deutschland, die nicht im Gewächshaus oder unter Folientunneln gezogen wurde. Ihr Ertrag lag 2012 bei 61 200 Tonnen. Kein Gewächshausgemüse wird hierzulande in größerem Stil angebaut. Hingegen ist die Zahl der im Freilandanbau wachsenden Pflanzen so gering, dass sie vom Bundesamt seit einiger Zeit schon nicht mehr erhoben wird. Schließlich gedeihen die empfindlichen Pflanzen unter den Glasdächern komplett unberührt von Klima und Witterung. Ist das Umweltschutz?

Automatisierte und vom Naturboden losgelöste Produktion

Bei der Massenproduktion berühren die Pflanzen keinen natürlichen Untergrund  mehr. Er wurde von Substraten wie Steinwolle, Perlit oder Kokosfaser abgelöst. Dadurch entsteht mehr Ertrag auf kleinerer Fläche. Die Großzahl der Betriebe tauscht die Pflanzen jedes Jahr aus, wodurch die Krankheitsgefahr gegenüber einem Anbau in Erde stark reduziert ist. Vollautomatische Prozesse in den Gewächshäusern erlauben zudem eine absolute Steuerbarkeit aller ablaufenden Prozesse. Wasser- und Nährstoffversorgung erfolgen computergesteuert auf den Milliliter genau berechnet.

Dieser technisch perfektionierte Anbau hat rein gar nichts mehr mit dem klassischen Bauernhof samt Gemüsebeet hinterm Haus zu tun. Stattdessen sind die Gewächshäuser mittlerweile so groß wie ein Fußballfeld. Auch wenn wir uns kaum vorstellen können, dass dadurch immer noch dasselbe Obst und Gemüse auf unseren Teller kommt, steht fest: Die Nährlösung macht das Gemüse nicht gesünder oder ungesünder, als wenn es in normalem Mutterboden herangewachsen wäre. Von schlechterem Geschmack kann bislang auch niemand sprechen.

Statt erst im Juli, können die ersten Tomaten aus Deutschland bereits im März verzehrt werden – sofern das Gewächshaus die Licht- und Wärmezufuhr korrekt steuert. Dass sie das Siegel „aus der Region“ tragen, macht sie dennoch nicht gleich zu umweltfreundlichen Nahrungsmitteln. Ihre importierten Gegenstücke sind trotz der wesentlich längeren Wege zum Verbraucher nicht sehr viel umweltschädlicher, weil der Anbau im Gewächshaus ungemein energieintensiver ist. Die Pflanzen brauchen zum Wachsen Energie. In südlicheren Ländern übernimmt das die Sonne. Hier übernehmen Lampen und Heizung diese Funktion.

„Anbau aus der Region“ macht Obst und Gemüse nicht umweltfreundlicher als Exportware

Das hat Auswirkungen auf die Klimabilanz: Die Heizkosten in einem Gewächshaus machen schlussendlich 80 Prozent der beim Anbau anfallenden CO2-Emissionen aus. Häufig gewinnt man die Energie dafür aus fossilen Brennstoffen, wie Erdgas oder Erdöl. Die Umweltbilanz der heimischen Tomaten ist sogar schlechter als die der importierten aus Spanien oder aus anderen Ländern, falls die Beheizung der Gewächshäuser auf Erdölbasis durchgeführt wird. Der vergleichsweise höhere Energieaufwand rechnet sich trotzdem, weil der Verbraucher das regional erzeugte Gemüse so stark nachfragt, wie noch nie – unabhängig der aktuellen Jahreszeit.

Da stellt sich die Frage, ob Tomaten aus dem Süden nicht vielleicht doch besser sind. Von der Energieagentur NRW ergeht indes der Ratschlag, die Gewächshäuser vollständiger abzudichten und Spezialverglasung für eine bessere Isolation zu nutzen. Manche der deutschen Betriebe senken ihren Schadstoffausstoß zusätzlich, indem sie Kraftwerksabwärme beziehen, um damit ihre Gewächshäuser zu heizen. Das Potenzial der deutschen Landwirtschaft ist noch immer sehr groß, wenn es darum geht, ihre Produktion umweltfreundlicher zu machen. Ein nachhaltiger Anbau liegt jedoch grundsätzlich im Einflussbereich der Verbraucher. Möchte man mit einem guten Gewissen reife Früchte verzehren, geht das am besten während der echten, sich nach dem Sonnenstand richtenden Saison. (LB/BHB)


 
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