Über 12,6 Milliarden Dollar haben die chinesischen Staatsunternehmen im Jahr 2012 in Übernahmen und Beteiligungen von europäischen Unternehmen gesteckt und so ihren Einfluss innerhalb Europas erweitert. Belegt werden diese Angaben von einer bis dato noch unveröffentlichten Studie, die dem „Spiegel Online“ vorliegt und von A Capital, einem Hongkonger Private-Equity-Anbieter, erstellt wurde.
So sollen sich die Investitionen der Chinesen im Vorjahresvergleich um ein Fünftel gesteigert haben und haben ein größeres Volumen als das von Nordamerika und Asien zusammengenommen. Wie die Studie weiterhin belegt, sollen 86 Prozent der Gelder sowohl in den Bereich Dienstleistungen als auch in den Bereich Industrie geflossen sein. A Capital hat damit die bisher umfassendste Studie über die Investitionen Chinas innerhalb Europas vorgelegt.
Für Aufsehen hatten die chinesischen Firmen zuletzt mit ihren Einkäufen bei den deutschen Vorzeigeunternehmen Putzmeister, Betonpumpenhersteller, Kion, Gabelstaplerbauer und dem Computerhersteller Medion gesorgt.
André Loesekrug-Pietri, A-Capital-Chef, erklärte, dass die aktuelle Schwäche innerhalb Europas von den chinesischen Investoren als gute Einstiegsmöglichkeit gesehen wird. Auf ihrer Such nach hochwertigen Marken, Knowhow und Technologien werden sie hier vor Ort fündig, da gerade die europäischen Unternehmen in den Bereichen Automobil, Umwelt, Maschinenbau und Gesundheit zur Weltspitze zählen.
Die Führung Chinas hat gerade diesen Schlüsselbereichen in dem aktuellen Fünfjahresplan die oberste Priorität eingeräumt. Unternehmen werden durch den Staatsrat mit Steuervergünstigungen und Billigkrediten bei ihren Expansionen ins Ausland gefördert. Von den Investments in Europa stammen rund 93 Prozent von Staatsbetrieben.
Europa – das neue Investment-Paradies
Wie der A-Capital-Chef weiter ausführt, seien auch die Widerstände gegen derartige Beteiligungen in Europa weitaus geringer als anderswo. Vorbehalte gegen Interessen, die als undurchsichtig empfunden werden, seien unter anderem in Amerika um einiges größer. Der Regierungsausschuss CFIUS der USA hatte erst im vergangenen Oktober eine geplante Übernahme von Hawker Beechcraft, Flugzeughersteller, durch einen chinesischen Investor aus Gründen der nationalen Sicherheit blockiert. Bereits im Jahr 2008 hatte das Committee on Foreign Investment in the United States einen Riegel vor die Übernahme des Netzwerksanbieters 3Com durch Chinas Staatskonzern Huawei geschoben.
Nach einem langen Hin und Her gab die kanadische Regierung erst vor wenigen Monaten ihre Zustimmung zu der Übernahme des Ölkonzerns Nexen durch das chinesische Staatsunternehmen Cnooc. Im gleichen Zug kündigte die Regierung jedoch auch an, dass Transkationen dieser Art zukünftig nur noch in Ausnahmefällen genehmigt werden.
Auf diese Probleme stoßen die chinesischen Investoren in Europa nicht. Mit zehn Prozent hat sich der chinesische Staatsfonds CIC an dem Londoner Flughafen Heathrow beteiligt, mit sieben Prozent an dem französischen Satellitenbetreiber Eutelsat. 21 Prozent übernahm Three Gorges, Chinas staatlicher Stromkonzern, an Energias, dem portugiesischen Monopolisten. Sowohl an dem dänischen Hi-Fi –Konzern Bang & Olufsen als auch beim Club Méditerranée, hält A-Capital selber Beteiligungen.
Loesekrug-Pietri ist der Meinung, dass die Europäer diese Investitionen pragmatischer sehen würden als die Amerikaner. Große Bereiche der Wirtschaft, vor allem in den Ländern, die von der Rezession geplagt werden, seien auf frisches Kapital angewiesen. Darüber hinaus gehen die mittelständischen Unternehmen davon aus, dass durch die neuen Anteilseigner der Zugang zum chinesischen Markt erleichtert wird.
Die bislang erfolgten Transaktionen seien nur der Anfang, so Loesekrug-Pietri. Für die folgenden Jahre werden sich noch gewaltige Potentiale ergeben. (FF/BHB)