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Geschwindigkeitsreduktion im Börsenhandel – Teil 1

Innerhalb von Millisekunden handeln Computerprogramme unzählige Aktien. Dadurch wird die Stabilität der Börsen gefährdet.


Geschwindigkeitsreduktion im Börsenhandel – Teil 1

Es ist nicht lange her, da ging von der Nachrichtenagentur AP die Meldung aus, dass es im Weißen Haus eine Explosion gegeben habe. Unmittelbar danach sind die Aktien an der Wall Street eingebrochen. Binnen kurzer Zeit wurde jedoch klar, dass es sich um eine Falschmeldung handelte, die von einem Hacker verursacht wurde. Inzwischen gingen an den Börsen dennoch ganze hundert Milliarden Dollar verloren – wenn auch nur zeitweise. Diesen Absturz verstärkten automatische Handelsprogramme durch ihre hohe Operationsgeschwindigkeit. Menschliche Händler hätten vermutlich Verdacht geschöpft, dass es sich dabei um eine Falschmeldung handelte. Software – als große Rechenmaschine – ist das Denken jedoch unmöglich und filtert Falschmeldungen nicht heraus.

Beim Twitter-Absturz in der jüngsten Vergangenheit waren die Finanzmärkte dem Computerchaos hilflos ausgeliefert. Der 1. August 2012 ist für das Brokerhaus Knight Trading ein schwarzer Tag gewesen. Innerhalb von Minuten büßte die Gesellschaft hunderte Millionen Dollar ein, so dass es zum Börsenschluss quasi pleite war. Ein paar Wochen davor geriet Facebooks Börsendebüt zum peinlichen Spektakel am Technologie-Parkett Nasdaq. Auch dort arbeiteten die Computerprogramme mit fehlerhaften Formeln. Was den Aktienindex Dow Jones dazu brachte, am 6. Mai 2010 um 900 Punkte innerhalb einiger Minuten zu fallen, ist bis heute ein Rätsel. Insider sind jedenfalls der Meinung, dass es etwas mit Hochfrequenzhändlern und Computern zu tun gehabt haben muss.

Die Staaten haben diesem Treiben bislang nur zugesehen. Nun soll die Gefahr aber gebannt werden. Vom Deutschen Bundestag ist im Februar ein Gesetz verabschiedet worden, mit dessen Hilfe die Algorithmen gebremst werden sollen. Überschnelle Zocker bekommen auf europäischer Ebene die Beine zumindest ein bisschen gefesselt, wenn die Finanztransaktionssteuer eingeführt wird. Die Börsenaufsicht in den USA namens SEC macht derweil längst Nägel mit Köpfen, während hier die Initiativen noch auf ihre Umsetzung warten. Die Behörde hat das FBI gebeten, Vorgänge des rasanten Handelns zu untersuchen. Nun ermitteln FBI-Agenten, ob und in welcher Form der Handel durch Hochfrequenzfirmen manipuliert wird.

Dadurch bereichern sich einige Marktteilnehmer auf Kosten der Übrigen. Das geschieht, indem sie den Markt innerhalb von Sekunden mit einer Millionenanzahl an Aufträgen lähmen, damit der Kurs aufwärts oder abwärts getrieben wird. Gleich darauf stornieren sie ihre Aufträge wieder. Jetzt ist es die Aufgabe der Beamten zu klären, ob der Tatbestand des unzulässigen Insiderhandels erfüllt wird, wenn übermenschliche Reaktionsfähigkeit der Computer dazu verwendet wird, auf Nachrichten zu reagieren.

Das stellt sie vor eine enorme Aufgabe, weil Hochfrequenzhandel schon seit langem keine Randerscheinung mehr ist. Im Fall von US-Aktien macht er schon mehr als 50 Prozent des Handelsvolumens an einem Tag aus. Andere Schätzungen gehen sogar von 70 Prozent aus. Im Devisenhandel glaubt man an etwa die Hälfte des gesamten Handelsvolumens.

Die Beamten stehen dabei einem Technologieriesen gegenüber, der beispielsweise gerade dabei ist, ein weiteres Datenkabel zwischen New York und London zu verlegen. Zuvor sprengten sie sogar Bergkuppen, damit die Verbindung zwischen den Börsen der Wallstreet und Chicago minimal beschleunigt werden konnte.

Auch an anderer Stelle wirkt dieser Kampf sehr ungleich: Das Jahresbudget der SEC liegt bei 1,3 Milliarden Dollar, wohingegen die Hochfrequenzbranche mehr als doppelt so viel Geld für neue Produkte und Maschinen ausgibt. Sogar die NASA könnte bei den Supercomputern dieser Firmen neidisch werden.

Nur ein Hindernis stört die Aufseher noch deutlicher: Juristen beherrschen die Behörde. Ihnen fällt es nicht leicht, den in ständiger Neuerung begriffenen Markt zu begreifen und der zunehmend komplexeren Technologie zu folgen. Derweil arbeiten Mathematiker, Softwareprogrammierer und Physiker für die Handelsabteilungen der Banken. Ihnen obliegt es, die Computerprogramme ins Leben zu rufen, die das elektronische Netz der Finanzmärkte weltweit durchkämmen, um nützliche Preisdifferenzen ausfindig zu machen. (LB/BHB)


 
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