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Kunde im Rausch: Null-Prozent-Kredite

Schnäppchenjäger erfreuen sich heute an zuhauf angebotenen kostenlosen Konsumkrediten. Doch die Banken verdienen mit diesem Geschäft kaum etwas. Neue Kundendaten sind das Objekt der Begierde.


Kunde im Rausch: Null-Prozent-Kredite

Manche Kreditangebote locken damit, keine Grundgebühr zu erheben, auf Beträge ab 300 Euro keine Zinsen zu erheben; und das Ganze für acht Jahre. Solche Konditionen versetzen Schnäppchenjäger in wahre Kaufräusche. Besonders im Elektrohandel steigt die Nachfrage derartig an, dass Gratiskredite mittlerweile auch außerhalb der dafür vorgesehenen Aktionswochen angeboten werden. Mitunter lenken die Verkäufer ein und stellen einen Null-Prozent-Kredit aus, nachdem ein Kunde nur lang genug nachgebohrt hat. Ein Verkäufer für Mobiltelefone aus Nordrhein-Westfalen erzählt davon, dass Kollegen in solchen Fällen bei der Verwaltung um eine Erlaubnis bitten, den Kredit ausstellen zu dürfen, was ihnen auch häufig gewährt wird. Noch dazu sind die Kunden oft genug finanziell gar nicht in der Lage, solche Kredite zu bedienen. Bei ihm habe erst kürzlich jemand gut 15 Verträge auf einmal unterzeichnet.

Unterdessen mausern sich Null-Prozent-Finanzierungen zum Milliardengeschäft. Mediamarkt, Saturn und andere Elektronikketten sind zu Bankfilialen mit Elektroartikel-Verkauf geworden. Scharrweise bahnen sich die Kunden ihren Weg in dortige Hinterzimmer und verraten einem normalen Fachverkäufer persönliche Daten wie Monatseinkommen und Bankverbindung – meistens widerstandslos. Oft ist ihr einziges Ziel, den Kredit für einen neuen Flachbildfernseher umsonst zu bekommen. Da rücken Sicherheitsbedenken schnell in den Hintergrund. Währenddessen türmen sich neue Kundendaten bei den Banken, die sich gerade darum die Hände reiben. Dieses Ziel reicht aus, um immer mehr Institute aufs Spielfeld zu locken, denn jeder möchte ein Stück vom großen Kuchen abhaben.

Die Null-Prozent-Finanzierung wird zu den Absatzkrediten gezählt. Das größte Kreditvolumen ist zwar immer noch in der Automobil-Branche anzutreffen, aber in Deutschland werden auch jedes Jahr Verträge in einer Gesamthöhe von etwa 4,3 Milliarden Euro unterschrieben, die nicht die Autofinanzierung betreffen. So die Schätzung des Bankenfachverbandes. Elektroartikel machen dabei den größten Anteil aus, Möbel den Zweitgrößten. Unbestätigten Angaben zufolge beläuft sich gut die Hälfte des Neugeschäfts der Banken auf Gratiskredite. Natürlich muss dieser Boom als die Folge der Niedrigzins-Politik der Europäischen Zentralbank  angesehen werden. Das bestätigt Anja Wenk als Vertriebsmanagerin bei Commerz Finanz. Diese Bank ist eine Tochtergesellschaft der BNP Paribas und der Commerzbank. Zusammen mit der Santander Bank aus Spanien und der Targobank zählt sie zu den volumenstärksten Anbietern von Absatzkrediten hierzulande.

Laut dem Verbandssprecher Staphan Moll seien solche Absatzkredite ein Marketinginstrument für Banken. Durch die Zusammenarbeit mit dem Handel hoffen sie auf neue Kunden, die sich später einmal für einen Kredit entscheiden werden, den sie dann zu regulären Konditionen bedienen. Diese Strategie wird sehr offensiv verfolgt: Die Kundin eines Elektronik-Marktes nahm einen Null-Prozent-Kredit auf, um sich ein Handy zu kaufen. In der Folge kontaktierte sie die verantwortliche Bank und begrüßte sie als Neukundin.

Nichtsdestoweniger ist diese Strategie äußerst riskant, weil die Banken an den Null-Prozent-Finanzierungen kaum etwas verdienen. Laut der Bankkauffrau Wenk gilt diese unübertreffbar günstige Kondition nur für den Kunden. Natürlich fällt auch hier ein Zinssatz an, der bei etwa fünf Prozent liegt. Kreditinstitut und Händler teilen sich diese Kosten. Welcher von beiden einen größeren Anteil daran zahlt, ist von der erwarteten Absatzmenge abhängig. Ist das Produkt ein eher preiswerter Fernseher, erwartet der Händler eine Stückzahl, die weit über der eines  teuren Luxuskühlschranks liegt. Die Bank trägt normalerweise einen größeren Kostenanteil, wenn Massenprodukte verkauft werden, da hierdurch eine größere Zahl an Neukunden erwartet werden kann. Bei Extremfällen tritt sie sogar für die ganze Zinslast ein.

Eine Bank verrät in diesem Zusammenhang, dass sie mindestens zwei derartige Null-Prozent-Aktionen mitgehen muss, wenn Media Markt sie anzubieten plant. Ansonsten gerate man als Finanzierungspartner ins Hintertreffen und der Händler suche sich problemlos einen anderen Anbieter. Passiert das, büßt die Bank sogar Kredite ein, durch die sie etwas verdient. (LB/BHB) 

Lesen Sie im zweiten Teil, was Verbraucher zu befürchten haben, wenn sie sich für Null-Prozent-Kredite entscheiden.


 
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