Herausforderungen für die Anlageberatung

In den vergangenen Jahren haben die Herausforderungen für Privatanleger in der Geldanlage immer mehr zugenommen. Das Team von ARERO - Der Weltfonds um Prof. Weber - lässt uns mit dem freundlicherweise gestatteten Abdruck des letzten Newsletter an den Gedanken der Wissenschaft teilhaben.


Anlageberatung

Privatpersonen müssen für ihren Ruhestand zunehmend selbst vorsorgen, um im Alter keine bzw. kaum Abstriche machen zu müssen. Aber auch das Sparen für ein Haus oder die Ausbildung der Kinder wird zunehmend schwieriger vor dem Hintergrund der niedrigen Zinsen, die derzeit noch auf Sparanlagen gezahlt werden.

Insgesamt stellt dieses Umfeld die risikoscheuen deutschen Privatanleger (1) vor die schwierige Aufgabe, mehr Verantwortung für die eigene Geldanlage zu übernehmen. Hinzu kommt, dass ihnen hierfür auch eine immer größere Zahl an zum Teil recht komplexen Finanzprodukten zur Verfügung steht. Eine gute Anlageberatung sollte daher die Anleger bei ihren Anlageentscheidungen unterstützen und sie beim Aufbau ihres Vermögens begleiten. In unserem folgenden Beitrag wollen wir aus wissenschaftlicher Sicht darlegen, ob Anlageberater diesem Anspruch gerecht werden und dabei auch das Verhalten der Anleger nicht außer Acht lassen.

Stärken und Schwächen der Anlageberatung

Mehrere wissenschaftliche Studien zeigen, dass Anlageberatung für den Anleger einen Mehrwert schaffen kann. Demnach helfen Berater dabei, Altersvorsorgeziele zu erreichen (Lusardi und Mitchell, 2011), eine steueroptimierte Allokation herzustellen (Bergstresser und Poterba, 2004; Amromin, 2008) sowie die Angst der Anleger vor dem Eingehen finanzieller Risiken zu reduzieren (Gennaioli, Shleifer und Vishny, 2014).

Eine erst kürzlich erschiene Studie von Foerster, Linnainmaa, Melzer und Previtero (2014) zeigt darüber hinaus, dass Anlageberatung die Risikobereitschaft der Anleger erhöht. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Haushalt riskante Wertpapiere (Aktien und Aktienfonds) hält, steigt um 59 Prozent. Der Anteil der Aktien im Portfolio steigt um 30 Prozent. Dieses Ergebnis ist konsistent mit der zuvor genannten Erkenntnis, dass der Berater die Angst vor finanziellen Risiken abzubauen hilft. Eine alternative Erklärung ist hingegen, dass der Berater Unsicherheit bezüglich zukünftiger Renditen reduziert. Auf diese Weise liefern Anlageberater einen echten Mehrwert: Die Anleger erhöhen dadurch ihre erwartete Rendite. Dies ist auch deshalb bedeutsam, da insbesondere in Deutschland oft darauf hingewiesen wird, dass die Teilnahme von Privathaushalten am Aktienmarkt (zu) gering ist.

Doch welche Anleger kommen in den Genuss dieser Vorteile? Welche Anleger lassen sich in Finanzfragen beraten? Foerster et al. (2014) zeigen mittels Umfragedaten des Canadian Financial Monitor, dass Kunden, die sich beim Thema Geldanlage beraten lassen, im Durchschnitt jünger sind, weniger wahrscheinlich Rentner sind und mit höherer Wahrscheinlichkeit einen Universitätsabschluss besitzen. Haushalte, die Anlageberatung in Anspruch nehmen, haben ferner ein höheres durchschnittliches Einkommen, ein größeres Finanzvermögen und sind mit höherer Wahrscheinlichkeit Hauseigentümer. Hinsichtlich der Anlage über Asset-Klassen hinweg investieren diese Personen, wie angesprochen, stärker in Aktien und festverzinsliche Wertpapiere und halten weniger Geldmarkt- und Sparprodukte sowie weniger Geld auf dem Girokonto.

Ein weiteres Ergebnis dieser Studie ist aber auch, dass Kundenportfolios durch eine geringe Individualisierung gekennzeichnet sind. Bekannte Kundencharakteristika wie etwa das Alter und die Risikoeinstellung können die Unterschiede in der Zusammensetzung von Portfolios nur zu einem Achtel erklären. Vielmehr existieren unabhängig davon starke Effekte, die auf den jeweiligen Berater zurückzuführen sind. Portfolios von Privatanlegern, die den gleichen Anlageberater haben, ähneln sich demnach; und dabei hat die Zusammensetzung des Beraterportfolios eine gute Vorhersagekraft für die entsprechenden Kundenportfolios. Die Ergebnisse sind konsistent mit der Erklärung, dass Anlageberatung stark an den persönlichen Präferenzen und Einschätzungen der Berater ausgerichtet wird.

Diese Analyse basiert auf Daten von vier großen kanadischen Anlageberatungsfirmen. Die Erlaubnis der bank-unabhängigen Firmen beschränkt sich auf Fonds, d.h. sie dürfen keine Aktien oder Derivate verkaufen. Die Firmen sprechen Empfehlungen aus und handeln auf Anweisung des Kunden (das lässt sich am besten mit einer Erlaubnis nach § 34f GewO vergleichen). Die Autoren untersuchen nun in einem letzten Schritt, inwieweit diese Anlageberater einen tatsächlichen Mehrwert liefern, indem sie die Renditen der Anleger mit denen von passiven Benchmarks vergleichen. Foerster et al. (2014) zeigen demnach, indem sie für jeden Berater die Kundenportfolios zu einem Portfolio aggregieren, dass vor Kosten der durchschnittliche Berater nicht besser abschneidet als passive Benchmarks, wenn auch eine gewisse Zahl an Beratern durchaus eine Brutto-Outperformance erreicht.

Berücksichtigt man nun die Beratungsgebühren (in Managementgebühren enthaltene Provisionszahlungen sowie einen eventuell anfallenden Ausgabeaufschlag), ergibt sich für den durchschnittlichen Anlageberater und für deren Kunden eine Netto-Underperformance. Verglichen mit dem Fidelity ClearPath Fonds (einem Target Date Fonds, d.h. einem Fonds, der mit zunehmendem Alter des Anlegers den Aktienanteil verringert) betragen die gesamten Kosten der Beratung damit je nach Methode zwischen 2,22% und 2,72% pro Jahr.

Dieses Ergebnis ist konsistent mit einer Reihe weiterer Studien, die sich mit der Leistung von Beratern beschäftigen: Die Wissenschaftler Bergstresser, Chalmers und Tufano (2009) sowie Christoffersen, Evans und Musto (2013) zeigen, dass Investmentfonds, die über einen Broker gekauft werden, schlechter abschneiden als andere, möglicherweise (mit-)verursacht durch Interessenkonflikte seitens des Brokers. Chalmers und Reuter (2013) zeigen ferner, dass beratene Anleger schlechter abschneiden als Target Date Fonds; Hackethal, Heliassos und Jappelli (2012), dass sie schlechter abschneiden als Kunden, die ihre Anlagen selbst verwalten.

Hinzu kommt, dass Brokerhäuser auch wahrscheinlicher die Fonds verkaufen, die höhere Provisionserträge liefern (Christoffersen, Evans und Musto (2013)). Mittels eines Feldexperiments zeigen Mullainathan, Noeth und Schoar (2012) auch, dass Berater ihren Kunden empfehlen, vergangene Renditen zu jagen und ihr Geld in aktive Investmentfonds anzulegen.

Bestimmung der Risikobereitschaft der Anleger

Ein zentrales Ergebnis der zuvor beschriebenen Studie von Foerster, Linnainmaa, Melzer und Previtero (2014) ist, dass Kundenportfolios zu sehr am Berater orientiert und in zu geringem Maße auf Alter und Risikoeinstellung der Kunden zugeschnitten sind. Ein weiterer Grund hierfür könnte das Vorliegen des „False Consensus Bias“ sein, demzufolge Personen die Ähnlichkeit anderer mit ihnen selbst in Haltungen, Verhalten und Persönlichkeitsmerkmalen überschätzen (u.a. Ross, Greene und House, 1977).

Borgsen und Weber (2008) greifen diesen Bias auf und untersuchen in einer experimentellen Studie, wie die Umfrageteilnehmer die riskanten Entscheidungen anderer Teilnehmer in einem Finanzmarktkontext vorhersagen. Dazu wird für jeden Teilnehmer sowohl die eigene Risikobereitschaft als auch dessen Vorhersage der durchschnittlichen Risikobereitschaft der anderen Teilnehmer erhoben.

Die Autoren finden heraus, dass es einen starken positiven Zusammenhang zwischen der eigenen Risikotoleranz und der Vorhersage der Risikotoleranz anderer Teilnehmer gibt: Personen mit höherer Toleranz erwarten somit, dass auch andere Personen eine höhere Toleranz besitzen. Dieser Effekt ist stärker, wenn es sich um ein Risiko mit unbekannten Wahrscheinlichkeiten (wie bei Finanzmärkten üblich) handelt.

Werden Beraterempfehlungen von Anlegern auch umgesetzt?

Am Ende des Beratungsprozesses steht letztlich wieder der Kunde, der Anlageempfehlungen des Beraters umsetzen muss. Bei der Beurteilung der Interaktion zwischen Berater und Kunde wird dieser Aspekt aber häufig nicht ausreichend berücksichtigt. Borgsen, Glaser und Weber (2012) haben sich mit diesem Aspekt schließlich genauer beschäftigt und dazu eine Studie durchgeführt. Privatpersonen, die ein Beratungsgespräch der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V. zu den Themen Finanzanlage und Ruhestandsplanung in Anspruch genommen haben, erhalten zwar eine Anlageempfehlung, diese wird jedoch nicht wie bei anderen Anlageberatern (z.B. bei Banken) direkt umgesetzt.

In einer Umfrage erheben Borgsen et al., ob die Anleger die entsprechenden Empfehlungen umgesetzt haben oder nicht. Sie finden heraus, dass die Zufriedenheit mit dem Berater und dem Beratungsgespräch Einfluss auf die Bereitschaft hat, dessen Ratschlägen auch zu folgen. Dabei ist die Sympathie fast genauso wichtig wie die fachlichen Kenntnisse des Beraters. Interessanterweise spielen die Persönlichkeitsmerkmale des Anlegers (z.B. Alter, Geschlecht) eine eher untergeordnete Rolle. Wichtiger ist dagegen, ob der Privatanleger mit einer konkreten Fragestellung in das Gespräch kommt oder eher allgemeine Informationen nachfragt, und ob er bereits eine eigene Anlagestrategie verfolgt.

Hinsichtlich der unterschiedlichen Anlageklassen zeigen die Autoren, dass Empfehlungen zu Tagesgeld, Riester-Verträgen und Versicherungen eher befolgt werden als Empfehlungen zu Anlagen in Anleihen und Anleihefonds. Eine Einmalanlage wird eher umgesetzt als Sparpläne, die regelmäßige Einzahlungen erfordern.

(1) So schreibt beispielsweise DIE ZEIT in ihrer Onlineausgabe am 17.02.2013: „Die deutsche Börse ist auf Rekordkurs, doch die meisten Geldanleger hierzulande haben davon nichts“. Die WirtschaftsWoche schreibt in ihrer Onlineausgabe am 28.06.2013: „Deutsche lehnen Aktien ab“. Die F.A.Z. zieht in ihrer Onlineausgabe am 02.11.2013 ein ähnliches Fazit: „Die Börsenkurse steigen und steigen, doch die Deutschen haben davon nichts. Aktien fassen sie nicht an.“

Zum Weiterlesen

Eine praxisorientierte Sicht auf das Thema mit konkreten Empfehlungen finden Sie in:

Martin Weber (2009): Kodex zur Anlageberatung: Gute Sitten und optimale Entscheidungen, Forschung für die Praxis, Band 19, Behavioral Finance Group, Universität Mannheim.

Literaturangaben

Amromin, G. (2008): Precautionary savings motives and tax-efficiency of household portfolios: An empirical analysis, in: J. Poterba (ed.): Tax Policy and the Economy, Cambridge, MA: MIT Press.

Bergstresser, D./Chalmers, J. M. R./Tufano, P. (2009): Assessing the costs and benefits of brokers in the mutual fund industry, Review of Financial Studies 22, 4129–4156.

Bergstresser, D./Poterba, J. (2004): Asset allocation and asset location: Household evidence from the survey of consumer finances, Journal of Public Economics 88, 1893–1915.

Chalmers, J./Reuter, J. (2012): What is the impact of financial advisors on retirement portfolio choices and outcomes, NBER Working Paper No. 18158.

Borgsen, S./Glaser, M./Weber, M. (2012): Independent fee based investment advice: Evidence on determinants of advice acceptance as a neglected issue in the consumer protection debate, Working Paper, University of Mannheim.

Borgsen, S./Weber, M. (2008): False consensus and the role of ambiguity in predictions of others’ risk preferences, Working Paper, University of Mannheim.

Christoffersen, S. E. K./Evans, R./Musto, D. K. (2013): What do consumers’ fund flows maximize? Evidence from their brokers’ incentives, Journal of Finance 68, 201–235.

Foerster, S./Linnainmaa, J. T./Melzer, B. T./Previtero, A. (2014): Retail financial advice: Does one size fit all?, Working Paper, University of Chicago.

Gennaioli, N./Shleifer, A./Vishny, R. (2014): Money doctors, Journal of Finance, forthcoming.

Hackethal, A./Haliassos, M./Jappelli, T. (2012): Financial advisors: A case of babysitters, Journal of Banking and Finance 36, 509–524.

Lusardi, A./Mitchell, O. S. (2011): Financial literacy and planning: Implications for retirement wellbeing, NBER Working Paper No. 17078.

Mullainathan, S./Noeth, M./Schoar, A. (2012): The market for financial advice: An audit study, NBER Working Paper No. 17929.

Ross, L./Greene, D./House, P. (1977): The “false consensus effect”: An egocentric bias in social perception and attribution processes, Journal of Experimental Social Psychology 13, 279–301.


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