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Europas größtes Stahlwerk steht unter Zwangsverwaltung

Die Eigner des größten Stahlwerkes in Europa sind von der italienischen Regierung mittels eines sofort wirksamen Regierungsdekretes von der Führung des Unternehmens enthoben worden. Die Sanierung soll nun durch einen Zwangsverwalter vorangetrieben werden.


Europas größtes Stahlwerk steht unter Zwangsverwaltung

Die Eigner des Stahlwerkes mit dem Standort Taranto, die mailändische Unternehmerfamilie Riva, wurden durch die italienische Regierung von ihrer Führungsposition entbunden. Ab sofort unter- steht das Stahlwerk dem Unternehmenssanierer Enrico Bondi, der als Zwangsverwalter für das Werk eingesetzt wurde. Bereits in den Neunziger Jahren hatte der 78 jährige den Ferruzzi-Montedison Konzern wieder saniert. Seit 2003 kümmerte sich Bondi um den Parmalat-Konzern. Jetzt soll der Manager im Stahlwerk Ilva ein Investitionsprogramm umsetzen, das bereits 2012 von der Monti Regierung als Bedingung für eine Betriebserlaubnis erklärt worden war. 

Umweltschutzvorschriften verletzt

Der Zwangsverwalter hat für die Realisierung des Programmes ein Investitionsvolumen zwischen 3 und 5 Milliarden Euro zur Verfügung, für das er auf das durch die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte Vermögen der Unternehmerfamilie Riva zugreifen kann. Durch das Gesetzesdekret hofft man, den vollständigen Zusammenbruch des Stahlkonzerns zu verhindern, der bereits am Mittwoch drohte, als alle leitenden Angestellten und auch die Konzernführung für die Hauptversammlung ihren Rücktritt ankündigten. Im Vorfeld hatte die Staatsanwaltschaft Unternehmenswerte in Höhe von 8,1 Milliarden Euro beschlagnahmt und verwies auf die massiven Umweltschäden, die der Konzern verursacht hat. Kein Verfechter des Umweltschutz.

Die Beschlagnahmung erstreckte sich auch auf sämtliche Geschäftskonten und Firmen-Kreditkarten, wodurch der Betrieb des Unternehmens lahmgelegt wurde. Tatsächlich untersteht die Konzernholding der Riva-Gruppe, zu der auch Stahlwerke in Deutschland zählen, aktuell einem gerichtlich bestellten Verwalter. 

Untersuchungshaft für Angehörige der Familie Riva

Seit einem Jahr bereits vertritt die Staatsanwaltschaft in Taranto die Auffassung, dass das Stahlwerk Ilva gänzlich stillgelegt werden müsse und erst nach erfolgten Umweltinvestitionen in einem perfekten Zustand wieder in Betrieb genommen werden dürfe. Die Gewerkschaften und auch die italienische Regierung sehen hier aber in erster Linie die Gefährdung von über 20.000 Arbeitsplätzen und wollen das Unternehmen unter der Einhaltung von Auflagen im Betrieb halten. Das Stahlwerk hatte von der bis zum April 2013 amtierenden Regierung eine Betriebsgenehmigung erhalten, die an Auflagen gebunden war. Das hatte die damalige Regierung in einer Gesetzesform festgelegt. Aktuell befinden sich die Angehörigen der Eignerfamilie aufgrund der Verletzung der Vorschriften des Umweltschutzes in Untersuchungshaft.

Im Detail handelt es sich vor allem um einen Stadtteil, den man zur damaligen Zeit neben das verlustträchtige und auch damals schon hoch subventionierte Stahlwerk gebaut hatte. Von dem damaligen Umweltminister Clini wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass Altlasten wie Krebserkrankungen teilweise noch in den Zeiten der Staatswirtschaft begründet sind, da man bis Anfang der Neunziger Jahre krebserregende Stoffe verarbeitet hatte. Das Stahlwerk Ilva wurde jedoch erst 1995 privatisiert.

Der Umstand, dass die Sanierung, obwohl das die Voraussetzung für die Erteilung der Betriebserlaubnis war, nicht in angemessenen Schritten vorangekommen ist, dient nun als Grundlage für die Zwangsverwaltung. Darüber hinaus wäre nach den alten Vereinbarungen des 90-Punkte-Programmes bei Nichteinhaltung eine Zwangsverwaltung zwar angedroht, jedoch hätte es nach den alten Regeln ein Verfahren inklusive Mahnungen und dem Anhörungsrecht der Unternehmensführung gegeben. Aktuell scheinen jedoch weder die Unternehmensführung noch die Familie Riva angehört worden zu sein.

Die Tatsache, dass der eingesetzte Zwangsverwalter Enrico Bondi auch von der Familie Riva nach den letzten Festnahmen als Geschäftsführer bestellt wurde, wird als ein Zugeständnis der italienischen Regierung gesehen. Die Bestellung Bondis erfolgte allerdings erst im April. Bruno Ferrante, der bisherige Präsident des Konzerns, wurde aus seinem Amt entlassen.

Scheinbar ist die Einsetzung von Bondi der Versuch vonseiten der Regierung, wenigstens ein Mindestmaß an Sachkompetenz in der Konzernführung zu belassen. Vonseiten der linken Koalitionspartner zeigt man sich jedoch strikt gegen den Einsatz von Personen, die die Familie Riva eingesetzt hat. Im Rahmen der Zwangsverwaltung sollte es nach Ansicht von Nichi Vendola, Präsident der Region Apulien, keinerlei Kompromisse geben und es müsse eine komplett neue Führungsspitze zum Einsatz kommen.  (FF/BHB)


 
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