Edbill Grote ist der Geschäftsführer vom Testhaus HTV in Bensheim. Er machte vor einiger Zeit eine einschneidende Begegnung: Bei dem Gespräch mit einem Entwicklungsingenieur fand er heraus, dass bestimmte Bauteile eines Kühlschranks so geplant werden, damit das Gerät nach siebenjährigem Betrieb ausfällt. Der Elektrotechniker aus Südhessen wurde wenig später durch eine Reportage auf dem Fernsehsender Arte nochmals aufgeschreckt. Dort wurden die Wegwerfgesellschaft, Elektroschrottdeponien auf dem afrikanischen Kontinent und die Folgen für Natur und Umwelt thematisiert. Das vom Kühlschrankentwickler angesprochene Phänomen – der zeitlich geplante Ausfall eines Geräts – griffen auch die Filmemacher auf: Unter dem Begriff „geplante Obsoleszenz“ versteht man den bewusst geplanten und damit vorzeitig einsetzenden Verschleiß.
Der Vorwurf: Hersteller bauen sogenannte Sollbruchstellen in die Geräte ein, damit sie schneller kaputtgehen und der Verbraucher schneller zum Nachkaufen gezwungen wird. Die Elektrotechniker und Ingenieure des Programmier- und Testhauses HTV aus Bensheim arbeiten auch für große Industriekunden. Sie sahen sich ihre Firmencomputer etwas genauer an, nachdem viele von ihnen beinahe zeitgleich nach einer Nutzungszeit von drei Jahren ausgefallen sind, ohne eine Vorwarnung zu geben.
Dabei haben sie ein Prinzip entlarvt: Teile, die temperaturempfindlich sind, werden in der unmittelbaren Nähe von zu heiß werdenden Komponenten verbaut, obwohl noch genug Platz an anderer Stelle wäre. Die Folge: Solche Teile gehen im Idealfall kaputt, nachdem die Garantiezeit abgelaufen ist. Laut Grote reicht die Planungsfähigkeit der Techniker dazu aus, auf die Woche genau den Ausfall ihrer Geräte zu bestimmen.
Auch zu kurze Gleitkontakte bieten eine Möglichkeit zur Haltbarkeitsverkürzung. Etwa bei Waschmaschinen. Grote ist auch gegenüber fest eingebauten Akkus in Smartphones oder Zahnbürsten kritisch eingestellt.
Jetzt beginnt der Kampf gegen die Sollbruchstellen. Das Unternehmen hat das „HTV-Life-Gütesiegel“ ins Leben gerufen. Hersteller sollen sich zukünftig mit einem Gütesiegel bestätigen lassen, dass sie auf Manipulation verzichten. Nach Grotes Vorstellung spräche nichts dagegen, das Siegel direkt auf dem Gerät prangen zu lassen. Die Kosten sind für ein Unternehmen sehr überschaubar, nur müssten sie eine eidesstattliche Versicherung abliefern, auf jede Art von Sollbruchstelle zu verzichten. Man würde in Bensheim ein Muster überprüfen und lagern – das Unternehmen ist auf die Langzeitkonservierung elektronischer Bauteile spezialisiert und damit für diese Aufgabe prädestiniert. (LB/BHB)
Lesen Sie im zweiten Teil, wie andere Verbände auf dieses Vorhaben reagieren.